Ausgangspunkt meiner figurativen Stadtansichten sind beobachtete Konstellationen von Formen, architektonischen und räumlichen Gegebenheiten und Farben, die mir auf meinen alltäglichen Wegen in meiner unmittelbaren Umgebung aufgefallen sind. Das Motiv hat lediglich eine anstoßende Funktion und ist nicht Inhalt der Malerei: Es dient als Ausgangspunkt, um von der Beobachtung ausgehend etwas Neues zu schaffen. Oft dienen mir Straßenfluchten als Ausgangspunkt. 

Im Prozess des Malens verändern sich die Farben in zwei gegensätzliche Richtungen: Während ein Teil der Farben sich immer detaillierter der Beobachtung annähert, kommen neue Farben hinzu, welche sich einzig aus dem Bild ergeben und auf die vorhandenen Farben abgestimmt werden.  Dies geschieht intuitiv und führt zu einer Verfremdung des ursprünglichen Motivs, so dass durch teilweise form-, farb- und detailgetreue Wiedergabe einerseits und Umkehrung und Übertreibung der Farben andererseits ein Bild entsteht, das einem Ortskundigen gleichzeitig vertraut und fremd vorkommen muss: Es ist das Bild eines Ortes, welcher weder beobachtet noch ausgedacht ist, sondern beides zur selben Zeit. Die teils ins Grell-Groteske übertriebene Farbigkeit betont den Prozess der Verfremdung des Gesehenen im Prozess der malerischen Auseinandersetzung.

 

Beobachtete Muster und Formen wie Kopfsteinpflaster und Wolken werden in ihrer Farbe und Form derartig übertrieben, dass sie immer mehr von der Beobachtung losgelösten Mustern oder Phantasiegebilden gleichen, was die Landschaft weiter verfremdet und gleichzeitig allen meinen Stadtlandschaften gemeinsame, wiedererkennbare Merkmale verleiht. Der meist geschlossene Himmel verdeutlicht den Charakter einer in sich abgeschlossenen kleinen Welt.

 

Spuren menschlichen Lebens sind auf meinen Bildern stets sichtbar: Es handelt sich immer um von Menschen gebaute und bewohnte Stadtarchitektur, nie um von Menschen unberührte Landschaften. Jedoch sind auf meinen Bildern nie Menschen zu sehen, auch keine Tiere oder Autos. Dies soll die Stadtlandschaften auf eine Art universell machen: Sie sollen keine Geschichte von interpersonellen Gegebenheiten erzählen, es soll keine bestimmten, von mir vorgegebenen zwischenmenschliche Situation in ihnen stattfinden. Vielmehr möchte ich es dem Betrachter überlassen, sich in die Landschaften zu begeben und eigene Phantasien darüber zu entwickeln, welche zwischenmenschlichen Konstellationen und Gegebenheiten darin stattfinden könnten. 

 

Ausgewählte Gemälde übersetze ich in einem nächsten Schritt in farbige Holz- oder Linolschnitte. In diesen werden die Farben weiter verfremdet und in einzelne, nur noch aufeinander und nicht mehr auf das Motiv bezogene Farbflächen zusammengefasst: Dies ermöglicht es mir, mich noch weiter vom ursprünglichen Motiv zu entfernen und nur noch sehr entfernt wiedererkennbare städtische Räume zu schaffen. Durch die Übertragung der Motive auf die Holz- oder Linolplatte kommt es zu einer Spiegelverkehrung, welche die fertige Druckgrafik noch einmal vom ursprünglichen Motiv entfernt – ohne dass der Bezug gänzlich verschwindet oder unsichtbar wird. 

 

Mai 2024